Hans Eichel stopft noch ein Schlupfloch

Heute Vormittag befand sich in meiner Mail ein neues Schreiben aus dem Bundesfinanzministerium, allerdings versehen mit dem Datum vom 25. August. Das Papier reagiert auf ein neues Steuerschlupfloch, das erst kurz vor Weihnachten entstanden war, und zwar durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Es passt wunderbar in die derzeitige Diskussion zur Abschaffung von Ausnahmen und Sondervorschriften und zeigt, um was es dabei häufig geht. Also fasse ich die Sache einmal für diejenigen zusammen, die es interessiert (Schreiben vom 25. August 05, Aktenzeichen IV B 2 – S 2139b – 17/05).

Das seinerzeitige Urteil betraf Unternehmer, die eine Einzelfirma oder Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft – meist eine GmbH – umwandeln. Solchen Firmen verfügen vor der Umwandlung meist über steuerpflichtige, aber bislang unversteuerte Kapitalzuwächse, die so genannten stillen Reserven. Ein spezieller Paragraf stellt Unternehmer deshalb vor die Wahl, die stillen Reserven bei der Umwandlung entweder sofort zu versteuern, oder sie in der neuen Firma so klar zu dokumentieren, dass die Steuer später nicht unter den Tisch fällt. Entscheidet sich der Unternehmer, sofort zu zahlen, unterliegt der entsprechende Gewinn unter bestimmten Voraussetzungen einem besonders günstigen Steuertarif. Dieser Tarif für „außerordentliche“ Gewinne galt früher einmal als „Mutter aller Steuersparmodelle“. Inzwischen jedoch hat der Gesetzgeber den Zugang zu diesem Schlupfloch massiv erschwert.

Ein cleverer Unternehmer indes erwirkte beim Bundesfinanzhof ein Urteil, mit dem er den begünstigten Anteil seines Kapitals deutlich erhöhte. Der Mann hatte vor der Umwandlung seiner Firma eine so genannte Ansparrücklage aufgebaut. Ein solches Instrument sorgt im Normalfall dafür, dass der laufende Gewinn in Höhe der Rücklage steuerfrei bleibt. Damit soll ein kleines Unternehmen zielgerichtet Geld für eine erst später fällige Investition zur Seite legen können, ohne dass der Betrag durch Steuern geschmälert wird. Denn die Investition wäre eine Betriebsausgabe und würde den steuerpflichtigen Gewinn später ohnehin mindern. Damit niemand dies Instrument missbraucht, gibt es eine Sanktion für den Fall, dass die Rücklage später zweckwidrig oder überhaupt nicht eingesetzt wird. Der steuerpflichtige Gewinn vergrößert sich in diesem Fall durch einen saftigen Zuschlag.

Der klagende Unternehmer hatte sich bei der Umwandlung seiner Einzelfirma in die GmbH dafür entschieden, die vorhandenen stillen Reserven sofort zu versteuern. Zugleich hatte er aber die nicht genutzte Ansparrücklage aufgelöst. Sein Ziel war, dafür statt höherer Steuern viel geringere zu zahlen. Der Gewinn aus der aufgelöste Rücklage sollte dem selben begünstigten Tarif unterliegen wie der aus den stillen Reserven. Der Bundesfinanzhof ließ den Trick zu und schuf so einen neuen Zugang zu dem begehrten privilegierten Tarif (Urteil vom 10. November 2004, Aktenzeichen XI R 69/03).
Sogar den Gewinnzuschlag, der einen Missbrauch der Rücklage verhindern soll, begünstigten die Richter. Das Modell machte sofort Furore und wurde von Wirtschaftszeitschriften wie von Steuerkanzleien als raffinierte Lösung propagiert.

Doch Ende dieser Woche veröffentlichte das Bundesfinanzministerium in Absprache mit den Ländern einen so genannten „Nichtanwendungserlass“. Die Behörden sollen das Sparmodell in vergleichbaren Fällen nicht akzeptieren. Zugleich will das Finanzministerium versuchen, den Finanzhof in einem anhängigen anderen Verfahren von dieser Rechtsprechung abzubringen. Das Ergebnis ist offen. Gelingt es nicht, die Richter zum Umdenken zu bewegen, könnte das Parlament später selbst per Gesetz klarstellen, wie es das Problem geregelt sehen will.

Michael Weisbrodt

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2 Responses to “Hans Eichel stopft noch ein Schlupfloch”

  1. […] Dafür, dass der EuGH tatsächlich nur zu einer beschränkten Rückwirkung des Manninen-Urteil kommen wird, spricht aus der mündlichen Verhandlung noch ein zweiter Grund. Überraschenderweise verfing dort nämlich während der Verhandlung ein weiteres Argument des Bundesfinanzministeriums. Die deutschen Vertreter hatten zwei arbeitsrechtliche Grundsatzurteile in das Verfahren eingeführt, die beweisen, dass dem Gerichtshof eine solche zeitliche Beschränkung tatsächlich schon früher möglich war. In diesen Urteilen hatte der EuGH eine Diskriminierung bei der Entlohnung und beim beruflichen Fortkommen untersagt, wenn sie auf dem Geschlecht eines Arbeitnehmers beruhen. Beide Urteile (C-43/75 „Defrenne“ und C-262/88, „Barber“) hatte das Gericht mit der Einschränkung versehen, dass nur solche Arbeitnehmer rückwirkend von ihnen profitieren können, die ihre Diskriminierung bereits vor dem Tag des Urteils in aller Form geltend gemacht hatten. © Michael Weisbrodt << […]

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