Paul Kirchhofs Streichliste und das Steuerprivileg der Landwirte

Gerda Hasselfeldt, CSU-Abgeordnete für den Wahlkreis Fürstenfeldbruck und ehemalige Bundesministerin, ist in Angela Merkels „Kompetenzteam“ für Umwelt, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zuständig. In der vorherigen Legislaturperiode war sie maßgebliche Finanzpolitikerin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Heute gab sie im Konrad-Adenauer-Haus der CDU in der Klingelhöferstraße in Berlin eine Pressekonferenz zu ihren neuen Aufgaben. Man durfte gespannt sein, was sie im Hinblick auf das derzeitige deutsche Diskussionsthema Nummer 1, die Steuerreform, zum Thema Landwirtschaft sagen würde. Denn Merkels Schatten-Finanzminister Paul Kirchhof vertritt ein Steuerkonzept, in dem für die sieben derzeitigen unterschiedliche Einkunftsarten kein Platz mehr sein soll. Eine dieser Einkunftsarten heißt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.

Für einen großen Teil der landwirtschaftlichen Betriebe würde die Abschaffung dieser Einkunftsart einen massiver finanziellen Verlust bringen. Denn das heutige Steuerrecht räumt dem Gros der kleineren Landwirte ein ganz außergewöhnliches Steuerprivileg ein. Sie verfügen nach dem Gesetz über das Recht, dem Finanzamt den tatsächlichen Ertrag ihres Unternehmens zu verheimlichen. Statt dessen zahlen sie Steuern nach so genannten „Durchschnittssätzen“. Das sind vom Begriff her die durchschnittlichen Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe. Doch schon das Wort selbst stellt eine grobe Irreführung dar. Denn das, was diese Landwirte zu versteuern haben, sind keine „Durchschnittseinkommen“, sondern gesetzlich definierte Niedrigeinkommen. Der Paragraf 13a Einkommensteuergesetz fingiert das landwirtschaftliche Einkommen dieser Betriebe weit unter den tatsächlichen Erträgen.

Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist einfach zu belegen. Denn die in der Landwirtschaft 13a-Betriebe genannten Höfe verfügen über ein Wahlrecht. Statt ihr Einkommen nach Durchschnittssätzen zu erklären, dürfen sie dem Staat auch ihr tatsächliches Einkommen nennen. Die Logik eines Durchschnitts besteht darin, dass die eine Hälfte über, die andere unter ihm liegt. Wer als Landwirt also unterdurchschnittlich verdient, hätte einen guten Grund, sein Wahlrecht zu nutzen und Steuern für das wirkliche Einkommen zu bezahlen – so wie es jedes andere Un-ternehmen ohnehin tun muss und wie es Arbeitnehmer tun müssen. Doch von den ungezählten 13a-Betrieben in der Landwirtschaft entscheidet sich so gut wie keiner dafür. Der staatlich definierte Maßstab ist so günstig, dass sich auch schlecht verdienenden Bauern lieber auf die manipulierten „Durchschnittssätze“ berufen.

Der Bundesrechnungshof hat diese Verzerrung schon vor Jahren heftig gebranntmarkt. Die rot-grüne Bundesregierung hat das 13a-Privileg kurz nach ihrem Amtsantritt 1998 auch ein wenig reduziert, aber damit bei weitem noch keine Gleichbehandlung der Landwirte mit Handwerkern, Händlern oder gar Arbeitnehmern hergestellt.

Aus diesem Grund äußerte der vermutlich meistzitierte deutschen Einkommensteuerkommentar, der „Ludwig Schmidt“, gerade in der neuesten Auflage vom Mai dieses Jahres erneut deutliche Zweifel daran, dass dies 13a-Privileg der Landwirte mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar ist.

Doch es gibt einen markanten Unterschied zwischen dem Steuerprivileg der derzeit unter Beschuss stehenden Nacht-, Feiertags- und Sonntagszuschläge der Arbeitnehmer und dem Steuerprivileg der 13a-Landwirte. Die Steuerausfälle durch die Freistellung dieser Zuschläge sind bekannt. Sie stellen ein Politikum dar und sollen beseitigt werden. Doch die Größenordnung, in der bäuerliche Kleinbetriebe verschont werden, ist seit Jahren nicht mehr ermittelt worden.

Wenn es die CDU/CSU-Fraktion mit ihrem Abbau ungerechtfertigter Privilegien ernst meinte, müssten also nicht nur die Arbeitnehmer betroffen sein. Vielmehr müssten die Landwirte erstmals seit Jahrzehnten verpflichtet werden, die tatsächlichen Erträge ihrer Höfe aufzudecken, die entsprechende Buchführung vorzunehmen und die tatsächlichen Rechnungen und Belege nachzuweisen. Das Privileg umfasst übrigens nicht nur die Einkommensteuer. Selbst bei der Umsatzsteuer genießen die Landwirte eine vergleichbare Bevorzugung.

Doch damit, dass die Landwirte ihr Privileg tatsächlich verlieren, ist nicht zu rechnen. Gerda Hasselfeldt jedenfalls äußerte sich bei ihrer Pressekonferenz zu fast jedem Thema ihres Aufgabenfeldes, bis hin zur Größe künftiger Vogel-Volieren. Doch die Besteuerung der Landwirte umschiffte sie sehr sorgfältig. Zum Ende der Pressekonferenz stellte ich ihr jedoch die Frage, wie sie zu diesem Thema steht – als gelernte Finanzpolitikerin und in Anbetracht des bei den schwarz-gelben Parteien geplanten Einschnitts bei den Arbeitnehmerzuschlägen.

Ihre Antwort: Darüber werde es noch viele Diskussionen geben. Aber nach ihrer Auffassung solle diese Regelung erhalten bleiben. Kirchhof wolle nicht nur eine Gleichbehandlung der Einkunftsarten, er wolle auch eine Vereinfachung. Bei den Zuschlägen für Nacht-, Feiertags- und Sonntagsarbeit gehe es nicht um Vereinfachung, sondern um Gleichbehandlung. Bei den Landwirten dagegen gehe es um Vereinfachung.

Angesichts solcher Antworten bedarf es keiner starken Fantasie, um sich vorzustellen, was aus der Gleichbehandlung wird, die Paul Kirchhof mit CDU und CSU durchsetzen will. Die Parlamentarier dieser Parteien und die der FDP werden sich mit aller Macht dagegen stemmen, den Landwirten ihr Steueridyll zu nehmen. Sie müssten andernfalls mit Widerstand aus einem Kernbereichs ihrer Wählerschaft rechnen. Eine Gleichbehandlung aller Einkunftsarten, so wie sie Paul Kirchhof sich vorstellt, wird er mit diesen Parteien nicht erreichen können. Auch wenn die Bauern ganz prominent auf seiner Streichliste stehen dürften.

(c) Michael Weisbrodt

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3 Responses to “Paul Kirchhofs Streichliste und das Steuerprivileg der Landwirte”

  1. Genial! Genau das, was ich brauchte um mich mal mit dem Thema zu befassen! Gut zu verstehen (wenn man sich Mühe gibt) und wertfrei. Bitte unbedingt weitermachen. Wenn es technische Probleme gibt, melden Sie sich ruhig per Mail. Ihnen helfe ich Gratis.

    Grüße Matthias Klees

  2. Sehr herzlichen Dank! Solche Ermutigungen machen Freude.

  3. […] Sie müssen nicht ihr tatsächliches Einkommen ermitteln und versteuern. Sie zahlen Einkommensteuer nur nach „Durchschnittssätzen“. Diese Sätze tragen ihren Namen zu Unrecht, es handelt sich bei ihnen um manipulativ herabgesetzte Maßstäbe. Im Kern verwandeln sie die Einkommensteuer in eine Art Grundsteuer mit einem sehr freundlichen Steuertarif. Diese Privilegierung der Landwirte ist verfassungsrechtlich hoch umstritten, aber politisch sakrosankt (siehe Steuerdienst vom 6. September 05). Die Berechtigung, Einkommensteuer nur nach Durchschnittssätzen zu bezahlen, ist im Wesentlichen größenabhängig. Überschreitet der Betrieb den Größenmaßstab, muss er sein Einkommen per Buchführung ermitteln und unterliegt den allgemeinen Steuertarifen. […]

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