Steuerpflicht für die Nachspielzeit

Bis zum letzten Jahresende galt in Deutschland ein Versicherungsprivileg. Es betraf die Steuer auf Kapitaleinkünfte. War eine Lebensversicherung für einen Zeitraum von mehr als 12 Jahren abgeschlossen, blieb die spätere Auszahlung unter bestimmten Bedingungen steuerfrei. Jetzt musste der Bundesfinanzhof erstmals entscheiden, was geschieht, wenn sich die Laufzeit der Versicherung nachträglich erhöht.

Das Schöne an dem Privileg für solche Lebensversicherungen mit höherer Laufzeit: Die steuerfrei ausgezahlte Summe enthielt faktisch auch die Zinsen der eingezahlten Beiträge. Bei anderen Anlageformen waren diese Zinsen steuerpflichtig. Diese Regelung gilt jetzt nur noch für Verträge, die bis zum Ender vergangenen Jahres abgeschlossen worden sind.

Besonders attraktiv war es für Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber die Beiträge zahlte. Denn auch die Steuer für diesen geldwerten Vorteil musste ein Arbeitnehmer nicht selbst tragen. Es genügte, dass der Arbeitgeber die von ihm selbst zugunsten des Arbeitnehmers bezahlte Prämie „pauschal“ mit nur 20 Prozent versteuerte. Zulässig war sogar, dass sich ein Arbeitnehmer eine solche steuergünstige Direktversicherung zusagen ließ und dafür auf eine Gehaltserhöhung verzichtete. Zeitschriften für Steuersparer wie etwa „Capital“ wurden nicht müde, ihren Lesern in immer neuen Varianten solche „Gehaltsumwandlungen“ zu empfehlen. Sie bildeten ein von Staats wegen über Jahrzehnte offen gehaltenes „Steuerschlupfloch“ vor allem für Arbeitnehmer mit hoher Steuerprogression.

Doch erst jetzt, im Kalenderjahr nach Abschaffung dieses Vorteils, entschied der Bundesfinanzhof über eine Situation, die im wirklichen Leben tausendfach vorgekommen sein dürfte. Der Fall: Ein Arbeitnehmer, der zwei Lebensversicherungen per Gehaltsumwandlung finanzierte, ließ sich vom Arbeitgeber überreden, drei Jahr später in Rente zu gehen als zunächst vereinbart. Der Arbeitnehmer stellte zur Bedingung, dass die Gehaltsumwandlung und die beiden Lebensversicherungen weiter liefen.

Der Arbeitgeber machte das telefonisch mit der Versicherungsgesellschaft klar und zahlte. Doch diese Vereinbarung konnte natürlich nicht mehr für einen Zeitraum von weiteren 12 Jahren abgeschlossen werden. Sie verlängerte nur einen längst bestehenden Vertrag. Jetzt entschied der BFH: Die Zinserträge, welche die Lebensversicherung in der „Nachspielzeit“ abwarf, waren steuerpflichtig (Aktenzeichen VIII R 71/04) . Der Arbeitnehmer hätte für die letzten Berufsjahre wohl besser auf einem Bar-Gehalt bestanden.

Erganzend:

Bleibt die Frage, wie sonstige Änderungen solcher Lebensversicherungsverträge zu bewerten sind, wenn die Verträge bis zum Ende vergangenen Jahres abgeschlossen worden waren. Drei Fragen zu diesem Problem hat der Bundestags-Abgenordnete Günter Baumann (CDU/CSU) an die Bundesregierung gestellt. Diese Fragen und die Anwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Barbara Hendricks (SPD) stehen in der Bundestags-Drucksache 15/5993 auf Seite 25 ff, die auch im Internet zu finden ist.

© Michael Weisbrodt

Zu den Entscheidungen, die der Bundesfinanzhof am 28. September veröffentlicht hat
Übersicht
I R 107/04: „Keine Rücksicht auf die Verluste“
II R 62/03: „Erbschaftsteuerrichtlinien gesetzwidrig“
III R 48/03 Die Rache der Geschiedenen
III R 66/04 Ein Kindergeldurteil, dass sich selbst widerspricht
VII B 244/04 Pflichtverstoß ohne Vermögens-Schaden?
VIII R 71/04 Steuerpflicht für die Nachspielzeit
X R 22/02 Prima Erfindung, bitteres Ende
XI R 61/04 Vergebliche Werbungskosten voll anerkannt

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