Vergebliche Werbungskosten voll anerkannt

Ausgaben, die im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen, dürfen steuerlich nicht abgezogen werden. Das ist plausibel. Doch ein Finanzamt dehnte diese Vorschrift gar zu weit aus.

Paragraf 3 des Einkommensteuergesetzes enthält eine lange Liste steuerfreier Einnahmen. Ganz vorn stehen Einnahmen aus der Krankenversicherung und dann folgen Arbeitslosengeld, dann Sozialhilfe. Irgendwo in der Mitte des Paragrafen steht das Bafög und ganz am Ende unter Ziffer 69 Leistungen für HIV-Infizierte oder Aids-Kranke durch das Programm „Humanitäre Soforthilfe“. Die im Wahlkampf heftig umkämpfte Steuerfreiheit der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge steht nicht dort, sondern in dem gesonderten Paragrafen 3b. Der darauf folgende Paragraf 3c enthält schließlich die Vorschrift, dass keine Ausgaben abgezogen werden dürfen, wenn sie im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

Das gilt auch für die so genannte Übungsleiterpauschale, deren Steuerfreiheit der Paragraf 3 unter Ziffer 26 auflistet. Die Steuerpauschale beträgt heute 1848 Euro pro Jahr, hatte in den 90er Jahren 2400 und in den letzten D-Mark-Jahren 3600 Mark betragen. Sie gilt längst nicht mehr nur für Übungsleiter, sondern beispielsweise auch für diverse nebenberufliche Ausbildungs-, Betreuungs- und Pflegetätigkeiten.

Um ihre Aufgabe als Kursleiterin in einer Volkshochschule vorzubereiten, hatte eine Frau in Schleswig-Holstein knapp 3300 Mark investiert. Doch dann wurde sie schwer krank, konnte die Lehrgänge nicht mehr halten und daraus auch keine Einnahmen mehr erzielen. Das Finanzamt nicht bereit, die vollen Kosten der Vorbereitung anzuerkennen. Es wollte nur solche Beträge zugestehen, welche die steuerfreien Einnahmen von 2400 Mark überstiegen. Denn, so die Begründung, mehr anzuerkennen verbietet der Paragraf 3c, nach dem keine Ausgaben abgezogen werden dürfen, wenn sie im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen.

Der Bundesfinanzhof hat das zurück gewiesen. Das Finanzamt könne keinen realen Aufwendungen mit „potentiellen“ Einnahmen verrechnen. Die Frau habe Anspruch auf den vollen Kostenabzug gehabt (Aktenzeichen XI R 61/04). Hätte sie ihren Kurs abgeleistet und das Geld verdient, so hätte das Finanzamt ihre Werbungskosten tatsächlich den steuerfreien Betrag kürzen können. So aber nicht.

Und noch etwas: Das Urteil betriff die Jahre 1996 und 1997. Ob es sich auch auf heutige Konstellationen übertragen lässt, entschied der BFH ausdrücklich nicht. Denn die Formulierung des Absatzes mit der Übungsleiterpauschale hat sich im Gesetz inzwischen geändert.

© Michael Weisbrodt

P.S. Die Frage, wie viele Steuerbefreiungen und Freibeträge das Einkommensteuergesetz enthält, hat kürzlich der Otto Fricke, FDP-MdB, an die Bundesregierung gestellt. Die Antwort des Staatssekretärs Volker Halsch steht in der Bundestagsdrucksache 15/5993 auf Seite 25 f

Zu den Entscheidungen, die der Bundesfinanzhof am 28. September veröffentlicht hat
Übersicht
I R 107/04: „Keine Rücksicht auf die Verluste“
II R 62/03: „Erbschaftsteuerrichtlinien gesetzwidrig“
III R 48/03 Die Rache der Geschiedenen
III R 66/04 Ein Kindergeldurteil, dass sich selbst widerspricht
VII B 244/04 Pflichtverstoß ohne Vermögens-Schaden?
VIII R 71/04 Steuerpflicht für die Nachspielzeit
X R 22/02 Prima Erfindung, bitteres Ende
XI R 61/04 Vergebliche Werbungskosten voll anerkannt

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