Bundesfinanzhof kritisiert Unterhaltsformular „Anlage U“ für die Einkommensteuererklärung

Das Realsplitting erlaubt einem geschiedenen oder getrennt lebenden Ehepartner, seine Unterhaltszahlungen an den Ex in bestimmten Grenzen steuerlich abzusetzen. Das funktioniert allerdings nur, wenn der Unterhaltsempfänger zustimmt. Der kann die Zustimmung unter bestimmten Bedingungen nicht nur vollständig verweigern, sondern stets auch der Höhe nach begrenzen. Einmal erteilt, gilt diese Zustimmung indes bis auf Widerruf.

Die Finanzverwaltung handhabt diese Regelung auf eine spezielle Weise. Das einschlägige Steuerformular, die „Anlage U“, enthält nur eine Rubrik, die dem Unterhaltsempfänger erlaubt, seine Zustimmung „dem Grunde nach“ bedingungslos zu erteilen oder zu verweigern. In einem vergangene Woche veröffentlichten Urteil sieht der Bundesfinanzhof in dieser Verwaltungspraxis eine Diskriminierung der sozial Schwächeren, und das seien „in der weit überwiegenden Zahl Frauen“ (Urteil vom 14. April 2005, Aktenzeichen XI R 33/03). Zugleich stärkt das Urteil die Stellung des Zahlungsempfängers gegenüber dem Finanzamt nachhaltig.

Ehepaaren steht in Deutschland das Steuersplitting zu: Sie teilen ihr gemeinsames Einkommen durch zwei, und beide zusammen müssen dann so viel Steuern zahlen wie zwei Unverheiratete, deren Einkommen genau dieser Hälfte entspricht. Das veranlasst mehr Ehepaare als in anderen Industrieländern, sich für eine Einverdiener-Ehe zu entscheiden. Meist bleibt dann die Frau daheim. Diese Entscheidung wird bei Arbeitnehmern zusätzlich mit einer nur für die Einverdiener-Ehe geltenden Subvention aus der Krankenversicherung belohnt. Die Kasse versichert den nicht erwerbstätigen Ehepartner betragsfrei mit. Dessen Beitrag tragen die Betriebe und die noch beschäftigten Arbeitnehmer.

Kommt es auf dieser Basis zur Trennung, sind die Einkommensunterschiede und deshalb die Unterhaltsverpflichtungen hoch. Kosten und Steuern explodieren dann gleichermaßen. Seit 1979 gibt es deshalb in Deutschland das Realsplitting für geschiedene oder getrennt lebende Ehegatten. Es sieht vor, dass sich die beiden früheren Partner einvernehmlich darauf einigen, wer von ihnen durch die Unterhaltszahlungen steuerlich be- und entlastet werden soll. Wenn die Einigung steht, kann der zahlende Ex-Partner bis zu 13.805 Euro als Sonderausgaben geltend machen. (1979 waren es nur 9.000 Mark, 1986 18.000, 1990 27.000 Mark.) Der Partner, der das Geld erhält, bezieht dann jedoch „sonstige“ Einkünfte, für die er Steuern zahlen muss.

Um diese Einigung gegenüber den Behörden zu dokumentieren, muss der Ex-Partner sein Einverständnis auf der Steuererklärung des Zahlers (Anlage U) gegenzeichnen. Wenn die Partner sich nicht gutwillig einigen, kann der Zahler die Zustimmung des Empfängers vor den Zivilgerichten einklagen. Allerdings muss er dabei bindend zusagen, den Empfänger von allen Nachteilen – auch den steuerlichen Nachteilen – freizustellen.

Im Jahr 1990 ergänzte das Parlament diese Vorschrift im Einkommensteuergesetz um zwei Sätze, die verhindern sollten, dass sich die unerquicklichen Verhandlungen zwischen den Getrennten Jahr für Jahr erneut abspielen müssen. Eine einmal erteilte Zustimmung gilt seither bis zum Widerruf fort.

Die Verwaltungspraxis, die sich auf dieser neuen Regelung entwickelt hat, kritisiert der Bundesfinanzhof nun deutlich. Sie ignoriere nämlich, dass der Unterhaltsempfänger seine Zustimmung jederzeit auch in der Höhe begrenzen kann.

Das hatte auch der Mann erkannt, der das Verfahren beim Bundesfinanzhof betrieb. Er interpretierte die Änderung von 1990 so, dass die prinzipielle Zustimmung bis auf Widerruf gilt, die Begrenzung bezüglich des Betrags aber nur für das jeweilige Jahr. Er hatte seine geschiedene Frau zunächst das Formular „Anlage U“ unterschreiben lassen. Dort hatte er für sich selbst beantragt, dass das Amt einen Unterhaltsbetrag von 6.062 als Sonderausgabe anerkennen möge. Durch ihre Unterschrift dokumentierte die Frau zugleich ihr Einverständnis damit, dass dieser Betrag für sie selbst steuerpflichtig sein würde.

In dem Formular gab es für die Frau jedoch keine Rubrik, in der sie ihre Zustimmung auf diesen Betrag hätte begrenzen können. Das Formular enthielt – und enthält bis heute – ausschließlich den Hinweis, dass sie ihre Zustimmung lediglich „dem Grunde nach“ erteilt habe und dass diese Zustimmung bis auf Widerruf gilt.

Im Folgejahr setzte der Mann in das Formular für sich selbst einen Betrag von 19.393 Mark ein, der bei ihm steuerfrei, bei seiner vormaligen Gattin steuerpflichtig sein sollte. Auf der untersten Zeile des Formulars kreuzte er das Kästchen an: „Die Zustimmung des Unterhaltsempfängers liegt dem Finanzamt bereits vor.“

Dieser Sprung erschien dem Finanzamt ziemlich groß; es fragte bei dem Mann nach, ob er dafür tatsächlich das Einverständnis der Ex-Gattin eingeholt hätte. Der aber bezeichnete das als überflüssig, das im Vorjahr erteilte Einverständnis reiche aus. Das Finanzamt entschied sich daraufhin, die Unterschrift der Frau so zu deuten, als hätte sie ihr Einverständnis auf den Betrag aus dem Vorjahr begrenzt. Der BFH hat dieses Vorgehen jetzt generell als das allein richtige bezeichnet.

Vor dem Finanzgericht und dann dem Bundesfinanzhof hatte sich der Ex-Gatte indes auf die beiden ergänzenden Sätze von 1990 berufen. Der Bundesfinanzhof räumte ein, dass der Mann damit nicht grundsätzlich falsch lag. Die beiden Sätze seine vermutlich wirklich in diesem Sinne gemeint gewesen. Sie seien mit den „sich häufig ändernden Unterhaltsleistungen“ begründet worden, und sie sollten dem Ziel dienen, dass die Beteiligten nicht gezwungen sein sollten, sich „trotz ihrer oft gestörten Gesprächs- und Verständigungsbereitschaft“ jährlich neu zu einigen. Für diese Deutung verwies das Gericht auch auf die damalige Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 9/1772, S. 4). Das alles spräche dafür, dass der Gesetzgeber 1990 gemeint habe, die einmal erteilte Zustimmung „sei bis zu ihrem Widerruf … als eine Art Blanko-Zustimmung der Höhe nach unbeschränkt wirksam“.

Trotzdem folgte der BFH dieser Interpretation nicht. Sie würde nämlich zu einer “nicht zu vertretenden Benachteiligung der jeweiligen Unterhaltsempfänger führen” und “im Widerspruch zu den Motiven” stehen, die den Gesetzgeber 1979 dazu geführt haben, das Realsplitting von der Zustimmung des Zahlungsempfängers abhängig zu machen. Der Empfänger der Unterhaltszahlung behalte in jedem Fall des gesetzliche Recht, seine Zustimmung im Einzelfall auf einen bestimmten Betrag zu begrenzen. Den könne der Zahler im Folgejahr nicht einseitig erhöhen. Eine andere Gesetzesauslegung würde sogar der Verfassung widersprechen.

Zudem aber würde sie die Verhandlungsposition der Unterhaltsempfänger untergraben. Sie aber sehe der Gesetzgeber regelmäßig als schützenswert an, weil sie sozial schwächer seien. Es handele sich dabei „in der weit überwiegenden Zahl“ um Frauen.

Materiell indes stärkt dies Urteil nun die Stellung des Zahlungsempfängers gegenüber einem Finanzamt. Fall das Amt die gestiegenen Sonderausgaben des zahlenden Ex-Partners einfach akzeptiert hat und nun von dem Empfänger oder der Empfängerin höhere Steuern verlangt, so kann der oder die sich auf das neue Urteil berufen. Ein Kernsatz dort lautet nämlich: „Die zu einem bestimmten Abzugsbetrag erteilte Zustimmung gilt .. auch für zukünftige Veranlagungszeiträume nur in dieser Höhe“.

Allerdings kritisiert das Gericht, dass der amtliche „Vordruck U“ offenbar von einer gegenteiligen Auffassung ausgeht. In den ausführlichen Erläuterungen innerhalb des Formulars fehlt tatsächlich jeder Hinweis, dass der Zahlungsempfänger überhaupt berechtigt ist, bei der Höhe des Abzugs in den Folgejahren mitzureden. Dies scheine auch „die neuere Auffassung der Finanzverwaltung“ zu sein. Nach dem neuen Urteil liegen hier beide falsch.

© Michael Weisbrodt

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