Staatsknete für die Staatskasse?

Nach der Wende in Ostdeutschland hat die Bundesrepublik hohe Subventionen gezahlt, um Investitionen in die neuen Länder zu locken. Oft jedoch beklagten sich Unternehmen, dass solche Hilfen verpuffen, weil bürokratische Hürden den Effekt zunichte machten. Der Bundesfinanzhof hat jetzt –14 Jahre nach einem solchen Konflikt – ein Finanzamt ausgebremst, das sich 1991 einen Teil der ausgezahlten Subvention gleich wieder unter den Nagel reißen wollte. Neue Informationen gibt es auch bezüglich der Investitionszuschüsse für den Aufbau eines ostdeutschen Tankstellennetzes (siehe Extra-Beitrag „Neues zur Tankstellen-Subvention“).

Das neue Subventions-Urteil betrifft die staatliche Hilfe für eine spezielle industrielle Investition in Mecklenburg-Vorpommern. Die Begründung, mit der sich das Finanzamt einen Teil dieses Zuschusses zurück holen wollte, hat die Qualität eines klassischen Schildbürgerstreichs.

Nicht nur der Staat hatte zu jener Zeit Geld in die Hand genommen, um sich an den Kosten der Investition zu beteiligen. Auch der Mutterkonzern des investitionswilligen Unternehmens hatte zu diesem Zweck ein Opfer gebracht und ersatzlos auf Forderungen gegen sein Tochterunternehmen verzichtet. Denn der Konzern hatte ebenso wie der Staat starkes Interesse daran, dass das Vorhaben ein Erfolg wird. Aber gerade in diesem Verzicht sah das Finanzamt einen Vermögensvorteil des Tochterunternehmens. Es belegte diesen Vorteil mit hohen Körperschaft- und Gewerbesteuern. Im Ergebnis wäre damit etwa ein Drittel der Subvention gleich wieder zurück an den Staat geflossen.

So jedenfalls stellt sich der wirtschaftspolitische Kern des Konflikts dar. Der schält sich allerdings erst heraus, nachdem man das neue Urteil des Bundesfinanzhofs aus seiner abstrakten juristischen Form löst und ihm die Geschichte entlockt, die es – ganz und gar verklausuliert – erzählt.

Im Zentrum des Verfahrens steht eine Aktiengesellschaft und eine Tochter-GmbH. Aufgabe der Tochter war, ganze industrielle Anlagen zu planen. Außerdem verkaufte sie Investitionsgüter bis hin zu kompletten Industrieanlagen. Kurz nach der Wende – 1991 – kaufte die GmbH in Mecklenburg-Vorpommern für 355 500 Mark ein Grundstück. Mit einem Investitionsaufwand von 66,6 Millionen Mark sollte dort eine Fabrikation entstehen. Ende jenes Jahres erwarb die GmbH zudem von einer anderen (einer Schweizer) Aktiengesellschaft Lizenzen im Wert von sechs Millionen Mark. Sie sollten die Herstellung und den Vertrieb weiterer Produkte möglich machen. Die Anschaffung dieser Lizenzen subventionierte der Staat mit einem Investitionszuschuss von 2,4 Millionen Mark. Dieser Betrag ist die eine Schlüsselgröße des Prozesses.

Die andere ist ein Schuldenerlass von 1,6 Millionen Mark, mit welcher die Muttergesellschaft das Vorhaben ihrer Tochter-GmbH unterstützte. Ohne diesen Erlass hätte der GmbH ein entsprechender Bilanzverlust gedroht. Diese Hilfe der Konzernmutter aber weckte beim Finanzamt Begehrlichkeit. Es verlangte dafür Körperschaft- und Gewerbesteuer. Begründung: Der Verzicht auf die Rückzahlung habe bei der GmbH zu einem steuerpflichtigen außerordentlichen Ertrag geführt.

Diese Begründung war genau zur Hälfte richtig. Die andere Hälfte: Der Verzicht auf die Forderung führte gleichzeitig dazu, dass der Gesellschafter der Gesellschaft einen entsprechenden Wert überlässt. Den muss die GmbH als Einlage verbuchen. Während der Verzicht bei einer GmbH zu einer Steuererhöhung führt, führt die Einlage dort zu einer Steuersenkung.

Jedoch hatte der Bundesfinanzhof vor Jahren in einem Grundsatzbeschluss seines Großen Senats bestimmt, dass Verzicht und Einlage nicht ohne weiteres die gleiche nominelle Größenordnung aufweisen. Die tatsächliche Höhe der Einlage bestimmt sich daraus, welchen tatsächlichen wirtschaftlichen Wert die aufgelöste Forderung zuvor noch besessen hatte. Das Finanzamt aus MeckPomm hatte bei der GmbH unterstellt, dass die Forderung der Muttergesellschaft nur noch einen wirtschaftlichen Wert von Null besaß. Denn die GmbH sei überschuldet gewesen, und die Muttergesellschaft hätte ihr Geld ohnehin nicht zurückerhalten.

Dem widersprach der Bundesfinanzhof aus zwei Gründen. Zum einen hatte das Finanzamt – und anschließend auch das in Greifswald ansässige Finanzgericht des Landes – nicht berücksichtigt, dass die GmbH einen Kundenstamm besaß. Der hätte der GmbH trotz der Schulden womöglich noch einen positiven Geschäftswert verliehen. Viel entscheidender aber war: Die GmbH verfügte schon allein deshalb über eine positive Substanz, weil ihr die Subvention in Höhe eines Investitionszuschusses von 2,4 Millionen Mark zugegangen war. Dieses Geld hatte das Finanzamt – und dann auch das Finanzgericht – aufgrund einer falschen Auslegung der Gesetze einfach nicht mitgezählt – und deshalb gleich teilweise konfiszieren wollen. Der BFH hob die Fehlentscheidung der vorpommerschen Finanzrichter in einem letzte Woche veröffentlichten Urteil (vom 31. Mai 2005, Aktenzeichen I R 35/04) auf.

Der zuständige Greifswalder Senat muss jetzt die Details nacharbeiten. Ob sich der jahreslange Zwist indes wirtschaftlich auf die weiteren Investitionsentscheidungen des Konzerns in den neuen Ländern ausgewirkt hat, ist einstweilen nicht bekannt. Denn darüber, welches Unternehmen von der Entscheidung betroffen war, lässt sich aufgrund des Steuergeheimnisses nur spekulieren. Aber vielleicht führt diese Veröffentlichung im Steuerdienst und führen weitere Recherchen ja dazu, dass auch dies noch zu Tage tritt. Bei den Urteilen zur Subventionierung des ostdeutschen Tankstellennetzes war das schließlich ebenso gelaufen (siehe heutige Veröffentlichung).
© Michael Weisbrodt

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