Wie G+J unseriösen Journalismus abstraft

Ein Lehrstück aus gegebenem Anlass

Die Kölner Zeitschrift Capital aus dem Verlag Gruner + Jahr hat im vergangenen Jahr eine Missbilligung des Deutschen Presserats erhalten, weil das Magazin in Heft 11/2004 einen mangelhaften Finanzämter-Test mit zweifelhaften Schlussfolgerungen veröffentlicht hatte.

Capital war viele Jahre das Flaggschiff unter den deutschen Wirtschaftsmagazinen. Da wollte das Begleitboot aus demselben Verlag, die Kölner Unternehmerzeitschrift impulse, nicht nachstehen. Sie veröffentlichte im April-Heft ebenfalls einen Test aller deutschen Finanzämter. Es gelang ihr spielend, Capital zu übertrumpfen. Statt einer Missbilligung verhängte der Presserat im September eine Rüge gegen das Magazin.

Das ist die härteste Sanktion, welche die Satzung des Presserats vorsieht. Die Zeitschrift ist verpflichtet, eine solche Rüge – im Gegensatz zur einfachen Missbilligung – im Redaktionsteil des Hefts abzudrucken. Wie berechtigt die Rüge war, berichtete derSteuerdienst bereits vor acht Wochen. Offensichtlich waren entscheidende Teile des Berichts und der ihm zugrunde liegenden Hitliste ein Fake.

In Qualitätszeitschriften und unter Qualitätsjournalisten wäre klar, welches die erste blitzschnelle Reaktion zu sein hätte: den Lesern unverzüglich und aus eigenem Antrieb mitzuteilen, dass das Heft zuvor falsche Informationen verbreitet hat. Bei derart bösen Entgleisungen wäre sogar eine Entschuldigung angebracht, zusammen mit einer Vorabberichtigung auf den Internet-Seiten der Redaktion. In einem Qualitätsverlag achtet aber auch das Management darauf, allein schon, um die Marke vor Schaden zu bewahren.

Beim Verlag Gruner + Jahr aber ticken die Uhren derzeit offenbar anders. Die Abonnenten und Leser haben von dem Machwerk bis heute nichts aus ihrer Zeitschrift erfahren, obwohl dafür bereits seit mindestens zwei Heften Gelegenheit bestand. Und im Internet? Dort geschieht das Gegenteil. Auf der impulse-Site wird die geballte Falschinformation vom April bis zur Stunde stolz und in großer Aufmachung als besondere redaktionelle Leistung angepriesen.

Natürlich ist der Verlag verpflichtet, die Rüge in impulse abzudrucken. Er wird es tun. Aber er hat sich Zeit gelassen. Schließlich ist die schriftliche Fassung der Rüge ohnehin erst spät in der Redaktion eingegangen. Also kann das ja alles bis zum Dezember-Heft warten. Dann ist die Tat in den Augen der Öffentlichkeit fast schon verjährt. Warum die Leser vorher mit Klarstellungen irritieren?

Die Verantwortung für alles das trägt der Chefredakteur. Er heißt Dr. Klaus Schweinsberg und war einmal Vorstandsassistent im Verlag. Heute um 13 Uhr begannen in Köln bei den Zeitschriften Capital und impulse in der Eupener Straße 70 zeitgleich zwei Redaktionsversammlungen. Vorab war durchgedrungen, worum es geht. Der Verlag und der impulse-Chefredakteur ziehen die Konsequenzen. Schweinsberg wird: Chefredakteur von Capital. Bei impulse wird er Herausgeber.

Der Verlag nimmt ihm seine kleinen Ungenauigkeiten offenbar nicht übel. Hauptsache, die Leser merken so schnell nichts. Und Hauptsache, die Medienpresse bringt die Rüge und die Beförderung nicht in Verbindung.

Die Hoffnung trügt. In Wahrheit nehmmen jetzt drei Marken Schaden. Die eine heißt Capital, die zweite impulse. Die dritte heißt Gruner + Jahr.

© Michael Weisbrodt

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